Rezension: Darwin - Abenteuer des Lebens

Written on 2019-05-06

Sieben Monate reiste Jürgen Neffe um die Welt, der Reiseroute folgend, die seinerzeit Darwin an Bord der Beagle nahm. 2009 erschien dann sein Reisebericht: “Darwin – Das Abenteuer des Lebens”. Eine gut geschriebene 500-Seiten Reportage über Gott und die Welt, nur leider nicht die im Titel versprochene Darwin-Biografie…

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Dabei hatte ich mir das Buch ursprünglich genau dafür gekauft: Ich war auf der Suche nach einer etwas tiefergehenden Biografie über den berühmten Naturforscher. Daraus wurde leider nichts – natürlich erfährt man auch einiges über Darwins Leben, aber wenig, was man nicht so schon mal irgendwo gelesen hätte. Aber beginnen wir von vorne.

Außer dem irreführendem Titel ist das Buch nämlich gar nicht so schlecht. Neffe ist promovierter Biologe und langjähriger Journalist – beides merkt man ihm an. Er schreibt kompetent und stilvoll, wichtige Voraussetzungen für ein gutes populärwissenschaftliches Buch.

Etappe um Etappe schreibt er sich voran, wobei er viel mehr liefert als “nur” einen Reisebericht. Jedes Kapitel ist mehr oder weniger strikt viergeteilt: seine eigenen Erfahrungen, Auszüge aus Darwins Erlebnissen und Ausführungen und Kommentare zu Wissenschaft und Gesellschaft. Dabei verbindet er die einzelnen Elemente sehr gut miteinander, kann aber trotzdem nicht verhindern, dass das Buch irgendwann klobig wirkt.

Sein persönlicher Reisebericht ist spannend zu lesen und schafft es, das eigene Reisefieber zu wecken. (Ich hatte öfters Google Earth neben mir auf, v.a. als es um die Südseeinseln ging…) Die Orte, die er gesehen hat, die Menschen, denen er begegnet, all das ist guter Lesestoff. Vor allem sein Blick für soziale Umstände und den Zustand der Natur, die Kombination des Journalisten- mit dem Biologen-Blick, machen diese Teile des Buches zu einer bildenden Lektüre.

Untermalt wird dieser Bericht von häufigen Zitaten aus Darwins Tagebüchern und sonstigen Schriften. So eng wie möglich folgt Neffe den großen Fußstapfen und vergleicht dabei, was er heute sieht, mit dem, was Darwin sah. Dabei erfährt man doch einiges darüber, was den jungen Darwin (und später, den älteren Darwin) beschäftigte und welche Eindrücke für ihn prägend waren. Glücklicherweise beschränkt sich Neffe mit seinen Darwin-Geschichten nicht einzig auf die Reise der Beagle, sodass man zum Schluss doch eine einigermaßen vollständige Lebensgeschichte gelesen hat. (Auch wenn sie, wie oben erwähnt, leider nicht umfassend genug ist um wirklich die Bezeichnung “Biografie” zu verdienen.)

Anknüpfend an seine oder Darwins Beobachtungen gibt der Autor dann eine Einführung in ein relevantes biologisches Thema. Dabei behandelt er so ziemlich alles einmal, von der Paläoanthropologie über die Genetik bis hin zur Naturschutzbiologie. Diese Abschnitte sind sehr schöne Beispiele für populärwissenschaftliches Schreiben: relativ knapp und gut verständlich, aber trotzdem (fast immer) wissenschaftlich gut fundiert.

Schließlich kann Neffe es sich nicht verkneifen, gesellschaftliche Kommentare in seinen Text einzustreuen – sei es zur Bandenkriminalität in Brasilien, dem Klimawandel auf den Kokosinseln oder den Gefahren der Gentechnik. Seinen Meinungen hier kann man zustimmen, muss man aber auch nicht. Zumindest regen sie zum eigenen Denken an.

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Ich habe lange geschwankt, was ich letztendlich von diesem Buch halten soll. Auf der einen Seite ist es eine insgesamt wirklich gut geschrieben Wissenschaftsreportage. Beim Thema Wissenschaftskommunikation bräuchten wir mehr solche Bücher! Außerdem gefällt mir dieser Reisebericht eines Biologen sehr (er erinnert mich in mancher Hinsicht an die Autobiographie von Josef Reichholf).

Gleichzeitig zieht sich das Buch aber auch eine gefühlte Ewigkeit hin – ich habe über einen Monat gebraucht, um es fertig zu lesen. Mit der Zeit werden die vielen Wissenschaftspassagen und gesellschaftlichen Kommentare doch eher ermüdend. Vielleicht ist das ein Punkt, für das man ein Sachbuch nicht schelten sollte; aber der Eindruck bleibt bestehen, dass hundert Seiten weniger ein großer Gewinn für das Buch gewesen wären. Insbesondere der Anfang ist sehr zäh, bevor man sich an die eher eigene Kapitelstruktur gewöhnt hat (und gemerkt hat, dass man es hier doch nicht mit einer Darwin-Biografie zu tun hat). Mir Persönlich hat auch nicht gefallen, dass er streckenweise fast schon antichristlich schreibt, bzw. kein faires Bild von Christen vermittelt; das wäre auch anders gegangen.

Schlussendlich würde ich dem Buch also sieben von zehn Punkten geben – mit der Einschränkung, dass man vorher wissen sollte, worauf man sich einlässt.

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