Written on 2019-03-16
In meinem Bachelorstudium habe ich einen Freund kennengelernt, der begeisterter Ornithologe ist. Nach Vorlesungen brach er oft mit seinem Fernglas und einem Notizbuch zu Vogelspaziergängen auf und war bald im ganzen Lehrstuhl als unser Vogelexperte bekannt. Ich fand das immer ziemlich cool, konnte es aber nie so ganz verstehen – was fand er nur an den Vögeln? Nun, vor ein paar Monaten hat mich der “Orni-Virus” auch infiziert. Und mittlerweile verstehe ich etwas besser, warum Vögel zu beobachten so viel Spaß macht.
Der Ross' Turaco, vor Ort bekannt als “Ndubaluba”, ist mein liebster sambischer Vogel.
Während meines Sambia-Aufenthalts im vergangenen Jahr entdeckte ich die großartige Vielfalt der dortigen Vögel. In einer in weiten Teilen ungestörten Landschaft konnte ich einen Vogelreichtum bestaunen, der das Herz jedes Biologen höher schlagen lassen muss.
Zwar war ich in unseren Bestimmungskursen an der Uni nie besonders gut gewesen, aber jetzt hatte mich die Neugierde gepackt. Ich lieh mir zwei Bestimmungsbücher und begann, darin zu schmökern. Jeder neue Vogel, den ich sah, wurde bestimmt. Und da ich fast täglich eine neue Art entdeckte, wuchs meine Artenkenntnis dementsprechend rasch. Zwei Vogel-begeisterte Kollegen vor Ort und ein Ausflug in einen Nationalpark gaben mir zusätzlichen Antrieb, sodass ich am Ende meiner knapp vier Monate etwa 80 Arten kennengelernt hatte. (Immer noch nur ein zehntel aller sambischen Arten!)
Als ich dann nach Deutschland zurückkehrte, fasste ich den Entschluss, nun auch die heimischen Arten endlich mal zu lernen. Ich wusste, dass es schwerer werden würde als mit ihren viel bunteren tropischen Verwandten, aber ich hatte ja jetzt ein wenig Übung.
Nach dem bekannten Schema blätterte ich viel in meinem Vogelführer und bestimmte alles, was ich sah. Ich begann, möglichst wöchentlich einen Vogelspaziergang zu machen und dabei Art und Anzahl der beobachteten Vögel zu notieren. Ein neues Fernglas, in das ich investierte, wirkte wahre Wunder – gute Optik macht echt einen Unterschied, wenn man minutenlang durch sie durchschauen muss. Und die zwei Birding-Apps des Cornell Lab of Ornithology (eBird zum Dokumentieren und Merlin zum Bestimmen) halfen ebenso weiter.
Das Wintergoldhähnchen ist mit nur 9cm der kleinste, aber auch einer der hübschesten deutschen Vögel.
Ich muss zugeben, dass ich die sambische Vogelwelt immer noch vermisse. Gerade jetzt im Winter ist Deutschland insgesamt eher artenarm. Aber trotzdem macht es sehr viel Spaß, hinauszugehen und zu entdecken, was die Natur zu bieten hat.
Das Tolle am Vögelbeobachten ist, dass es ganz verschiedene Aspekte vereint. Man kommt raus, an die frische Luft und in die Natur. Es weckt die Freude an der Schöpfung, das Staunen über unserer Mitkreaturen. Es ist eine physische Aktivität, aber gleichzeitig auch eine geistige. Sich Vogelnamen und -merkmale einzuprägen fordert das Gedächtnis, umsomehr wenn man sich dann im Feld möglichst schnell an das Gelernte erinnern muss, bevor einem der Vogel wieder weggeflogen ist. Oft hat man keine Zeit, im Handbuch nachzuschlagen – man muss sofort wissen, zumindest zu welcher Gruppe der Vogel vor der Linse gehört. Das fordert heraus.
Gleichzeitig ist es ein sehr befriedigendes Gefühlt, den eigenen Fortschritt zu beobachten. Mit jedem bestimmten Vogel wird man sicherer. Man weiß, worauf man achten muss und kann bekannte Arten manchmal schon an der Flugform oder am Gesang erkennen. (An letzterem muss ich aber noch viel arbeiten…) Man sieht selbst im Alltag viel mehr: Tiere, auf die man nie geachtet hat, nimmt man plötzlich wahr und entdeckt so, welche Vielfalt die Natur uns auch in Deutschland noch zu bieten hat. Umso größer ist dann auch die Freude, eine noch nicht gesehene Art zu entdecken – bei meinem ersten Wintergoldhähnchen wäre ich fast ausgeflippt!
Nicht zuletzt bietet ein Vogelspaziergang auch immer wieder die Freude der Pirsch. Man weiß nie so genau, was man sehen wird oder auch nicht. Manchmal sieht man fast nichts. Oft muss man viel Geduld haben und lange warten – wird dann aber manchmal auch mit den schönsten Arten belohnt. Die Natur ist kein Streichelzoo. Wer etwas sehen will, muss sich dafür schon anstrengen.
Aus all diesen Gründen liebe ich es mittlerweile, Vögel zu beobachten – und kann meinen lieben Freund Jan darum jetzt sehr gut verstehen. Die Welt der Vögel zu erkunden bietet einem die Spannung des Entdeckens, die Erholsamkeit der Natur und das Staunen über diese wunderschönen Geschöpfe. Was will man mehr?